Rabenmutter, Karrieretussi, Helikoptermutter, Geliebte, Heilige, die Brave, die Ruhige, die Komplizierte, die Verständnisvolle, die Zickige, die Sanftmütige. Uns Frauen werden unendlich viele Rollen zugeschrieben. Manche davon von außen – andere von uns selbst. Einige davon tun uns nicht gut. Wie wir uns davon befreien.
Je nachdem, unter welchen Bedingungen wir aufgewachsen sind, in welchem sozialen Umfeld wir uns bewegen und wie wir uns selbst sehen wollen, schreiben wir Frauen uns selbst bestimmte Rollen zu. Viele von diesen Rollen leben wir täglich ganz selbstverständlich. Manche von ihnen legen wir an passender Stelle ab. Wieder andere stülpen wir uns nur ganz selten über.
Erwarten allerdings die Gesellschaft oder unsere Umgebung von uns, dass wir bestimmten Rollen zu entsprechen haben, mit denen wir uns selbst nicht identifizieren, kann das zu einem großen inneren Druck führen. Noch schwieriger wird es, wenn wir mit den Rollen hadern, die wir uns selbst zuschreiben und denen wir nur zum Teil oder gar nicht entsprechen wollen. Dann kann sich dieser Druck ins schier Unermessliche steigern und unseren Selbstwert ordentlich ins Wanken bringen.
Wie entstehen Rollenbilder?
Rollenbilder werden uns im Allgemeinen von der Gesellschaft vermittelt und im Speziellen auch von der Familie sowie im Freundeskreis weitergegeben. Und nur, weil wir denken, dass wir uns bereits sehr intensiv damit auseinandersetzen, wo diese Rollenbilder problematisch sind, heißt das noch lange nicht, dass wir vor ihnen gefeit sind. Nehmen wir als Beispiel Julia und ihre Mutter. Julias Mutter wuchs in einem klassischen Haushalt der 50er-Jahre auf. Ihr wurde vermittelt, dass die Rolle der Frau am Herd und bei den Kindern sei. Davon befreite sich Julias Mutter erfolgreich. Sie setzte sich für Frauenrechte ein, studierte, machte Karriere und arbeitete bis auf wenige Wochen vor und nach Julias Geburt als Alleinerzieherin mit einem selbst finanzierten Betreuungsnetzwerk weiter in ihrem Traumjob.
Rollenbilder unterliegen dem Wandel der Zeit und entstehen immer wieder neu
Das Rollenbild, das Julia vermittelt wurde, war das der „toughen“, selbstständige Karrierefrau, die niemanden braucht und nur dann erfolgreich ist. Julia hingegen würde heute gerne länger in Karenz gehen und hat gegenüber ihrer Mutter die Sehnsucht nach einem Leben mit vier Kindern geäußert. Am liebsten würde sie sich ihren künftigen Kindern über mehrere Jahre Vollzeit widmen und erst später wieder Teilzeit in den Beruf einsteigen, während ihr Mann arbeiten geht. Julia hat daraufhin von ihrer Mama genau die gleiche Wertung gehört, die diese früher von ihrer Mutter erfahren hat: „So sollte eine Frau nicht sein!“
Wieso können die Klischees zur Rolle der Frau problematisch sein?
Abgesehen von zahlreichen gesellschafts- und berufspolitischen Problemen, die starr vorgegebene Rollenmuster bedeuten, sind Rollenklischees für viele Frauen eine ganz persönliche innere Herausforderungen, auf die wir hier näher eingehen möchten. Das Problem mit Rollenzuschreibungen ist dabei, dass sie selten daraufhin überprüft werden, ob wir uns in ihnen eigentlich wohlfühlen. Und was passiert, wenn wir uns nicht damit identifizieren können? Gilt in einem Umfeld eine Frau beispielsweise prinzipiell als „Die Vernünftige“ oder „Die Sanftmütige“ – was macht das dann mit uns, wenn wir einfach nur einmal unserer Wut nachgeben oder wider jede Vernunft etwas ganz Waghalsiges unternehmen wollen?
Bestimmte Rolle als Frau leben, um dazuzugehören
Psychologisch gesehen kann das eine bewusste sowie auch unbewusste Angst auslösen, nicht mehr dazuzugehören. Und auch, wenn heute viele auf Individualität setzen, so ist Zugehörigkeit doch ein sehr wichtiges Bedürfnis. Das ist in uns Menschen tief angelegt. Als Baby sind wir auf die Zugehörigkeit zu anderen Menschen angewiesen. Sie versorgen uns. Nicht mehr dazuzugehören, kann im Erwachsenenalter zwar ein ganz bewusster Wunsch sein, der auf der anderen Seite wiederum tiefste Urängste in uns wachruft. Freilich meist, ohne, dass wir uns dessen wirklich bewusst sind. Manchmal leben wir also nach Rollen oder spielen bestimmte Rollen nach außen vor, obwohl wir uns eigentlich gar nicht wohl fühlen damit. Einfach, weil Zugehörigkeit uns auch Sicherheit vermittelt.
Wie wir uns befreien: So findest du zu deiner Rolle als Frau und Mensch
Damit du zu der Rolle findest, die deinem Selbst am ehesten entspricht und du dich diese oder mehrere deiner gewünschten Rollen auch leben traust, haben wir für dich ein paar wichtige Punkte zusammengefasst. Nimm’ dir für diese Übungen bewusst ein wenig Zeit:
- Der wichtigste Schritt ist, dir zu überlegen, wie du eigentlich gerne sein möchtest. Stell dir dazu vor, dass dein gesamtes Wissen über Frauenrollen auf Urlaub gefahren wäre: Wer würdest du dann gern sein wollen?
- Jetzt mache dir einmal bewusst, welche Glaubenssätze über die Rolle der Frau dich vielleicht bisher daran hindern, deine ganz eigene Vorstellung von dir selbst zu leben.
- Forsche in deinem Gedächtnis: Welches Frauenbild hast du bei deinen Eltern, Großeltern, in der Schule, in deinen Teenie-Jahren im Freundeskreis, in deinen Beziehungen und bei den ersten Erfahrungen im Arbeitsalltag vermittelt bekommen?
- Schreibe nun jede einzelne Rolle auf, die dir einfällt, und die dich vielleicht bis heute beeinflusst. Mache dazu zwei Spalten. In die linke Spalte schreibst du das Klischee: zum Beispiel „Frauen müssen Mütter werden“ oder „Frauen sind zickig“.
- Dann streiche alle Sätze in der linken Spalte durch, die dir nicht entsprechen und schreibe in die rechte Spalte, wie deine Rolle aussehen soll. Da kann dann zum Beispiel stehen „Ich darf mich bewusst gegen Kinder entscheiden“ oder „Ich bin gelassen“.
- Übrigens: Nicht alles in der rechten Spalte muss sich von der linken unterscheiden. Wenn du beispielsweise das Gefühl hast, dass die Rolle „Frauen sollen unabhängig sein“ zu dir passt, dann darfst du in die rechte Spalte genauso gut schreiben: „Ich bin unabhängig.“
- Jetzt schaue dir einmal die rechte Spalte an. Was davon geht dir innerlich leicht über die Lippen? Womit haderst du noch? Wem, dem du dich eigentlich nahe fühlen möchtest, fühlst du dich vielleicht weniger zugehörig mit deinen neuen Rollen? Setze dich ganz bewusst damit auseinander und mache dir klar: Du gehörst trotzdem dazu, auch wenn du deinen individuellen Weg gehst.
Wie „die Rolle der Frau“ zu etwas werden kann, das uns näher zu uns bringt
Nehmen wir nochmal das Beispiel von Julia her. Sie hat diese Übung für sich selbst absolviert und ist zu dem Schluss gekommen, dass sie Angst hat, nicht mehr zur Gesellschaft der emanzipierten Frauen zu gehören, wenn sie ihrem Bedürfnis nach einem Dasein als Vollzeitmama nachgibt. Gleichzeitig hatte sie Sorge, ihre Mutter würde sie in diesem Fall nicht mehr als wertvolles, weibliches Gesellschaftsmitglied erachten. Sie kam für sich zu dem Schluss, dass es ein emanzipierter Schritt ist, genau das Leben zu führen, das SIE sich als Frau wünscht, unabhängig davon, was andere sagen. Und mit genau dieser Haltung fühlte sie sich plötzlich sowohl ihrer Mutter, die ihr so viel bedeutet, als auch sich selbst einen großen Schritt näher.
Denk´ immer daran: Du entscheidest, wer du bist!